Die Änderung der Befristungsmöglichkeiten für Arbeitsverträge
im Rahmen des neuen Hochschulrahmengesetzentwurfes hat das Ziel, einige
gravierende Probleme innerhalb des deutschen Forschungssystems zu lösen.
Im Vordergrund steht dabei das Problem, dass sich viele Wissenschaftler
seit viel zu vielen Jahren in zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnissen
befinden und damit riskieren, irgendwann in einer beruflichen Sackgasse
zu landen. Dies bedeutet eine besondere Gefahr für die Betroffenen,
denn die Chancen für eine erfolgreiche berufliche Umorientierung sinken
mit zunehmendem Alter. Von der Bundesregierung wird nicht nur zugegeben,
dass die heutige Situation aus sozialpolitischen Gründen inakzeptabel
ist (Tausende von hochqualifizierten Wissenschaftlern leben trotz ihrer
ausgezeichneten Leistungen in beruflicher und damit sozialer Unsicherheit),
sondern auch, dass sie in krassem Widerspruch zu den von Deutschland unterschriebenen
Europäischen Verträgen (siehe EU Richtlinie 1999/70/EG, in der
die zentrale Rolle der unbefristeten Arbeitsverträge betont wird)
steht. Die logische Konsequenz aus dieser Analyse wäre, einem großen
Teil dieser Wissenschaftler, nämlich jenen, die sich national und
international profiliert haben und die heute in ihren Feldern anerkannt
und geschätzt sind, einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten.
Das ist der Wunsch der EU und die Regel in vielen EU Ländern.
Der Blick in andere EU-Länder zeigt wie es gehen kann: In Frankreich und Italien sind beispielsweise die zahlreichen unbefristeten Arbeitsstellen in der Forschung die Stellen der "Forscher". Diese werden normalerweise einige Jahre nach der Erlangung des Doktortitels vergeben. Wissenschaftler, die gut qualifiziert sind, schaffen es in der Regel, ohne große Probleme eine solche Position zu erreichen. In Deutschland sieht es dagegen ganz anders aus: Solche unbefristeten Forschungsstellen sind äußerst selten, insbesondere seitdem gravierende Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst die Regel sind. Sofern vorhanden sind unbefristete Stellen nahezu ausschließlich im Bereich der Routinedienste und Serviceleistungen angesiedelt. Forschungsstellen die eine hohe Qualifikation erfordern bzw. ermöglichen sind in der Regel befristet! Eine Ausnahme bilden die wenigen Professorenstellen, mit denen alleine jedoch, auch auf Grund der hohen Lehrverpflichtung, die Durchführung der Forschung nicht gewährleistet ist. Das bedeutet, dass gerade die am höchsten qualifizierten Wissenschaftler in Deutschland in ausgesprochen langer beruflicher Unsicherheit sind, ohne dass die meisten von ihnen jemals eine einzige Möglichkeit gehabt hätten, im Laufe ihrer Karriere eine unbefristete Arbeitsstelle zu erlangen, genau jene Stelle, die laut der Europäischen Richtlinie die "Normalität" sein sollte!
In so einer Lage ist die vorgeschlagene Therapie, eine bundesweite zeitliche Grenze der befristeten Arbeitsverträge für die beschäftigten Wissenschaftler einzuführen, schädlicher als die Krankheit, die sie heilen möchte! Solch eine Grenze kann die Lage jener Tausenden von Forschern, die seit vielen Jahre in deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen erfolgreich arbeiten, nicht verbessern. Ganz im Gegenteil, viele hochqualifizierte Wissenschaftler, die die Befristungsobergrenze heute schon erreicht haben und zum Teil auch bewußt auf eine unbefristete Servicestelle verzichtet haben, stehen jetzt vor dem beruflichen Aus. Ihre Arbeitsmöglichkeiten werden durch die faktische Beschäftigunsgobergrenze deutlich verringert. Ein wesentlicher Anteil der Forschungsgelder, die heute verwendet werden, um ihre Arbeit zu finanzieren, steht in der Zukunft für hochqualifizierte und erfahrene Wissenschaftler nicht mehr zur Verfügung. Man riskiert deshalb durch diese Reform, dass eine ganze Generation von Forschern und Wissenschaftlern ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben darf oder aber das Land verlassen muss, unabhängig von ihrer Qualifikation und ihrer Erfahrung. Dies betrifft zu einem wesentlichen Teil gerade die am höchsten qualifizierten Wissenschaftler, die nach der bisherigen Forschungspolitik gerade den Weg der beruflichen Unsicherheit (befristete Habilitationsstellen, C1) wählen mußten um hochqualifizierte Forschung zu machen. Es ist äußerst seltsam, dass dieser Aspekt nicht als zentraler Punkt der Diskussion erkannt wird!
Auch für junge Forscher ist diese Grenze nicht sehr hilfreich: Wenn die Anzahl der unbefristeten Arbeitsverträge, die das Deutsche Forschungssystem vergibt, in Zukunft so niedrig bleibt, ist es klar, dass die größte Mehrheit jener jungen Forscher, die die wissenschaftliche Karriere begonnen haben, es nicht schaffen wird, eine sichere berufliche Zukunft zu erreichen. Die einzige Änderung der Reform besteht darin, dass die jungen Forscher früher nach immerhin 12 Jahren Berufserfahrung nach dem Diplom (also keinesfalls frühzeitig) entgültig aus dem Wissenschaftssystem entlassen werden! Wenn das der Sinn der Reform ist, dann sollte ausdrücklich gesagt werden, dass das deutsche Forschungssystem zu viele Forscher produziert und für viele davon keine Perspektive existiert. Solch eine Erklärung würde mindestens einigen jungen Wissenschaftlern die Illusion der wissenschaftlichen Karriere nehmen und würde das Grundproblem klarstellen: Welche Zukunft will man für die Forschung und damit die Forscher in Deutschland? Will man sie wirklich fördern (wie zu oft zu hören ist) oder steht dahinter die Forschungsausgaben möglichst niedrig zu halten in dem man möglichst nur junge billige Wissenschaftler beschäftigt? Allerdings wird eine solche ehrliche Antwort sicher nicht dazu beitragen junge begabte Menschen in die Forschung zu locken. Mit 12-jähriger engagierter beruflicher Tätigkeit haben diese dann andere, besser kalkulierbare und vielversprechendere Möglichkeiten sich eine berufliche Perspektive aufzubauen.
Eine Reform der Befristungsmöglichkeiten für Arbeitsverträge im Rahmen der HRG kann für die Forschung und die Forscher nur erfolgreich sein, wenn
a) zukünftig eine erhebliche Steigerung der unbegrenzten Arbeitsverträge (feste Forschungsstelle, "tenure track") vorgesehen wird,
b) eine zivile Lösung der miserablen Lage der erfahrenen Forscher, die ihre besten Jahren für die deutsche Forschung verwendet haben, angestrebt wird,
c) der Sinn der Europäischen Richtlinien ernsthaft umgesetzt wird und
d) die deutsche Forschungsförderung gerade auch Förderprogramme für die hochqualifizierten erfahrenen Wissenschaftler anbietet.
Zwischenzeitlich muss im Intresse der hochqualifizierten Nachwuchswissenschaftler
auf einseitige Beschränkung der Befristungsmöglichkeiten zu Lasten
der Beschäftigten verzichtet werden.
Diese Stellungnahme wurde von folgenden Wissenschaftlern unterzeichnet:
Dr. Angelo Rubino, rubino@ifm.uni-hamburg.de
Dr. Henning Wehde, wehde@dkrz.de
Prof. Dr. Jürgen Sündermann,
Kerstin Hatten, hatten@dkrz.de
Kai Logemann, logemann@ifm.uni-hamburg.de
Stefan Heitmann, heitmann@ifm.uni-hamburg.de
Dr. Ulrike Seiler, seiler@ifmmserv.ifm.uni-hamburg.de
Dr. Roland Romeiser, romeiser@ifmmserv.ifm.uni-hamburg.de
Dr. Martin Gade, gade@ifmmserv.ifm.uni-hamburg.de
Dr. Ute Luksch, luksch@dkrz.de
Dr. Amelie Kirchgaessner, kirchgaessner@dkrz.de
Dr. Elke Keup, keup@dkrz.de
Dr. Silke Dierer, dierer@dkrz.de
Oliver Hansen, hansen@dkrz.de
Aissa Rechlin, rechlin@dkrz.de
Dr. G. Ali Dehghani, ali@dkrz.de
Dr. Stefan Hagemann, hagemann@dkrz.de
Dr. Ulrike Niemeier, niemeier@dkrz.de
Dr. Kirsten Warrach, warrach@dkrz.de
Andrea Lammert, anl@lidar.dkrz.de
Dr. Heiko Jansen, heiko.jansen@dkrz.de
Dr. Klaus Ertel, ertel@dkrz.de
Tido Semmler, tis@lup.dkrz.de
Dr. Annette Kirk, Annette.Kirk@dkrz.de
Michael Boettinger, boettinger@dkrz.de
Gesa Netzeband, netzeband@dkrz.de
Dirk Notz, notz@dkrz.de
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Prof. Dr. Martin Claussen, claussen@pik-potsdam.de
Dr. Matthias Hofmann, hofmann@pik-potsdam.de
Alfred-Wegner Institut für Polar- und Meeresforschung
Dr.Christian Mohn, cmohn@AWI-Bremerhaven.DE
Dr. Wolfgang Dorn, wdorn@AWI-Potsdam.DE
Dr. Inga Hense, ihense@AWI-Bremerhaven.DE
Dr. Birgit Schneider, bschneider@AWI-Bremerhaven.DE
Dr. Jens Schroeter, jschroeter@AWI-Bremerhaven.DE
Dr. Michael J. Karcher, mkarcher@AWI-Bremerhaven.DE
Dr. Ralph Timmermann, rtimmerm@AWI-Bremerhaven.DE
Dr. Stephan Frickenhaus, sfrickenhaus@AWI-Bremerhaven.DE
GKSS Forschungszentrum Geesthacht
Dr. Ralf Weisse, Ralf.Weisse@gkss.de
Dr. Saskia Esselborn, saskia@gkss.de
Dr. Dagmar Nagel, dagmar.nagel@gkss.de
Prof. Dr. Hans von Storch, Hans.von.Storch@gkss.de
Abha Sood, sood@gkss.de
Katja Woth, woth@gkss.de
Dr. Jinsong von Storch, Jinsong.von.Storch@gkss.de
Beate Müller bmueller@gkss.de
Dr. Kai Born, kborn@uni-bonn.de
Dr. Sabine Wurzler, wurzler@tropos.de
Karoline Diehl, diehl@tropos.de
Dr. Reiner Schnur, rschnur@maglobe.net
Sönke Maus, Soenke.Maus@t-online.de
Emil Stanev, e.stanev@icbm.de
Dr. Uwe Ulbrich, ulbrich@meteo.uni-koeln.de
Dr. Bernhard Steinberger, bernhars@cires.colorado.edu
Martina Junge, martina@traviata.imga.bo.cnr.it
Dr. Knut von Salzen, Knut.vonSalzen@ec.gc.ca
Dr. Martin Stendel, mas@dmi.dk
Martin Klepper klepper@uni-hamburg.de
Susanne Rohs, S.Rohs@fz-juelich.de
Thomas Forbriger forbrig@geophysik.uni-frankfurt.de
Andreas Macke amacke@ifm.uni-kiel.de
Thomas Ruedas ruedas@geophysik.uni-frankfurt.de
Anna Widmer Anna.Widmer@uni-hamburg.de
Uwe Ulbrich ulbrich@meteo.uni-koeln.de
Andreas Grossmann, ft9z007@public.uni-hamburg.de
Jutta Heinz jutta.heinz@t-online.de