Resolution des
wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland (HabilitandInnen/PrivatdozentInnen)
Die Bundesregierung
plant eine tiefgreifende Änderung des Hochschuldienstrechts noch vor
Ende der laufenden Legislaturperiode (2002). Ziel dieser von Bundesbildungsministerin
Edelgard Bulmahn auf den Weg gebrachten Reform ist die Stärkung des
Wissenschafts- und Forschungssystems und der Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen Hochschule auch im internationalen Vergleich.
Auf der Basis
des Berichts der von Bulmahn eingesetzten Expertenkommission „Reform
des Hochschuldienstrechts“ (RH) liegt unter dem Titel „Hochschuldienstrecht
für das 21. Jahrhundert“ (H21) auch bereits ein Konzept des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) vor.
Dort ist neben
einer leistungsgerechteren Besoldung der Professorenschaft insbesondere
die Förderung und Verjüngung des wissenschaftlichen Nachwuchses
durch Einrichtung von „Juniorprofessuren“ bei gleichzeitiger Abschaffung
der Habilitation vorgesehen. An der Arbeit der Expertenkommission sowie
bei der Entwicklung des BMBF-Konzeptpapiers sind keine VertreterInnen des
wissenschaftlichen Nachwuchses beteiligt worden.
Als HabilitandInnen
und PrivatdozentInnen befürworten wir grundsätzlich das Reformvorhaben.
Jedoch kritisieren wir auf der formalen Ebene die fehlende Einbeziehung
von VertreterInnen des wissenschaftlichen Nachwuchses in das Verfahren.
Aus diesem Sachverhalt erklärt sich die fehlende Berücksichtigung
des existierenden wissenschaftlichen Nachwuchses auf der inhaltlichen
Ebene. Weder im Bericht der Expertenkommission noch im Konzeptpapier des
BMBF ist an eine Übergangsregelung für den existierenden wissenschaftlichen
Nachwuchs vom alten auf das neue System gedacht.
Die Generation
der jetzt 35-45 jährigen HabilitandInnen und PrivatdozentInnen, deren
hochqualifizierte Ausbildung in Lehre und Forschung die SteuerzahlerInnen
viel Geld gekostet hat, droht der Universität aufgrund fehlender Übergangsregelungen
verloren zu gehen. In der bisherigen Fassung schickt die geplante Reform
den existierenden wissenschaftlichen Nachwuchs im Laufe der nächsten
Jahre Schritt für Schritt auf die Straße. Im Bericht der Expertenkommission
kommt das in der folgenden Bemerkung zum Ausdruck: „Es findet keine Überleitung
vorhandenen Personals statt. Der Verjüngungseffekt soll vielmehr sofort
greifen. Vorhandene Habilitanden und Habilitandinnen können das Habilitationsverfahren
zu Ende führen.“ (RH, S. 29)
Die unter anderem
geplante Streichung von C2-OberassistentInnenstellen und C2-Hochschuldozenturen
zugunsten der kostenneutralen Einrichtung von Juniorprofessuren nimmt den
HabilitandInnen und PrivatdozentInnen, die nach Abschluß des Habilitationsverfahrens
im Regelfall nicht sofort eine Professur erhalten, die existentielle Grundlage.
Diese Grundlage erlaubte es ihnen bisher, sich in einem angemessen Zeitrahmen
von 4-6 Jahren am Wettbewerb um ausgeschriebene Professuren zu beteiligen.
Zudem steht zu befürchten, daß auch Mittel aus eigentlich neu
zu besetzenden C3- und C4-Professuren zur Finanzierung der Ausstattung
von Juniorprofessuren abgezogen werden, so daß in den nächsten
Jahren noch weniger Stellen auf dem Markt zur Verfügung stehen werden
als dies ohnehin bereits der Fall ist.
Weiterhin haben
auch die Institutionen, die Drittmittel vergeben, angekündigt, sich
in Bezug auf die Vergabe von Fördermitteln der Reform in der Weise
anzupassen, daß eine Förderung des sich habilitierenden bzw.
habilitierten Nachwuchses nicht mehr bzw. nur noch in extrem reduzierter
Form vorgesehen ist. So sieht die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
bereits jetzt die Abschaffung von Habilitationsstipendien und die systematische
Reduzierung von Heisenbergstipendien vor. Insbesondere ist eine strikte
Altersgrenze von 35 Jahren selbst für die Vergabe reiner Forschungsstipendien
vorgesehen.
Das bedeutet:
Die Generation der heutigen HabilitandInnen und PrivatdozentInnen, ohne
deren Einsatz und Engagement die akademische Lehre und wissenschaftliche
Forschung in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlagartig zusammenbrechen
würde, wird in den nächsten Jahren aus dem Universitätssystem
herausselektiert und durch jüngere Nachwuchskräfte ersetzt, die
bereits nach dem neuen System ausgebildet wurden. Dabei soll die Ausbildung
dieser zukünftigen Nachwuchskräfte noch von dem gegenwärtigen
Nachwuchs
mit durchgeführt werden. Über die Zukunftsaussichten des letzteren
heißt es im Konzeptpapier des BMBF lapidar: „Habilitierte sind in
Deutschland im Durchschnitt 40 Jahre alt. Eine berufliche Neuorientierung
ist zu Beginn des fünften Lebensjahrzehntes so gut wie unmöglich.“
(H21, S. 12)
Das BMBF weist
mit dieser Bemerkung zwar indirekt selbst auf die Dringlichkeit einer Übergangslösung
für den existierenden wissenschaftlichen Nachwuchs hin. Es zieht aus
der beschriebenen Lage, die für die betroffenen hochqualifizierten
AkademikerInnen in die Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfe führt, jedoch
bisher nicht die notwendigen Konsequenzen.
Das mit 40 Jahren
relativ hohe Durchschnittsalter der PrivatdozentInnen ist durch Mängel
des alten Systems und nicht durch Langsamkeit des akademischen Nachwuchses
verschuldet. Hinzu kommt, daß die gegenwärtige Generation der
HabilitandInnen und PrivatdozentInnen den Neuaufbau der Universitäten
in den neuen Bundesländern aktiv mitgestaltet und in Zeiten überfüllter
Hochschulen unter höchster persönlicher Belastung und häufig
unter Verzicht auf Familie und Kinder den Lehr- und Forschungsbetrieb aufrecht
erhalten hat. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Bildungspolitik
in fast allen Bundesländern in den letzten Jahren einerseits rigoros
Professorenstellen gestrichen und andererseits die Zahl der Habilitierten
durch gezielte Fördermaßnahmen erhöht hat.
Es besteht grundsätzlich
ein Anspruch auf institutionelle Sicherheit, der im Zusammenhang mit Strukturreformen
normalerweise in Form von Übergangslösungen für die betroffenen
Personengruppen berücksichtigt wird. Auch bei der Reform des Hochschuldienstrechts
muß sich der Staat seiner diesbezüglichen Verantwortung stellen.
Als Übergangsregelungen fordern wir:
-
Keine Umwidmung von freiwerdenden C3- oder C4-Professuren
in Juniorprofessuren, sondern umgehende Neuausschreibung und beschleunigte
Nachbesetzung als C3- oder C4-Professuren (bzw. - nach der Nomenklatur
des reformierten Systems - als W2- oder W3-Professuren).
-
Keine Altersbegrenzungen bei der Erstberufung Habilitierter
(d.h. diesbezügliche Gleichstellung der Habilitation mit einer Erstberufung).
-
Bevorzugte Einstellung von PrivatdozentInnen (kein
„Berufungskarussell“) in den Jahren bis zum Greifen der Reform und bis
zur Verfügbarkeit berufungsfähiger JuniorprofessorInnen.
-
Angemessene Übernahmeregelungen (z.B. in Form
entfristeter C2-Stellen) für bis zum Zeitpunkt des Verfügbarwerdens
berufungsfähiger JuniorprofessorInnen nicht berufene PrivatdozentInnen.
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