Dr. Antje Gimmler (Universität Marburg)
Zunächst einmal möchte ich mich für die Einladung
bedanken. Ich vertrete hier die Initiative wissenschaftlichernachwuchs.de.
Von Haus aus bin ich Philosophin und schließe gerade meine Habilitiationsschrift
ab. Die Initiative wissenschaftlichernachwuchs.de ist nicht parteipolitisch
gebunden, wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Fächern
und wir haben uns im Dezember letzten Jahres gegründet, um an der
Entstehung des neuen HRG mitzuwirken. In der Diskussion um das damals vorliegende
Konzeptpapier des BMBF ist uns eines sehr deutlich aufgefallen: der wissenschaftliche
Nachwuchs, der jetzt in Deutschland an den Universitäten lehrt, an
der Habilitation arbeitet oder schon habilitiert ist, ist in dieser Diskussion
nicht vertreten. Wir möchten auf die Konsequenzen dieser Reform für
den jetzt existierenden wissenschaftlichen Nachwuchs hinweisen und - wo
nötig – Verbesserungsvorschläge machen. Fast 4000 Nachwuchswissenschaftlerinnen
und Nachwuchswissenschaftler haben auf unserer Homepage www.wissenschaftlichernachwuchs.de
unsere Resolution unterschrieben. Den ersten Teil dieser Unterschriftensammlung
haben wir Ende Mai Frau Bulmahn in Berlin übergeben.
Wir begrüssen die Reform. Wir teilen die vom BMBF anvisierten Eckpunkte: Innovation der Hochschulen, Beschleunigung der Qualifizierungswege. So begrüssen wir auch die Einführung der Juniorprofessur. Sie gibt die Möglichkeit der selbständigen Lehre und Forschung zu einem Zeitpunkt, wo die ‚Führung’ durch eine ältere und erfahrenere Wissenschaftlerin auch sehr leicht Gängelung sein kann. Wir verteidigen also keineswegs die Assistentenkultur. Was die Habilitation angeht, so scheint uns das Verfahren tatsächlich überflüssig zu sein. Nicht überflüssig allerdings ist – mindestens in den Kultur- und Geisteswissenschaften – das zweite Buch. Unsere Kritik bezieht sich auf die Art und Weise der Umsetzung der Reform. Der zukünftige Nachwuchs wird auf Kosten des jetzt existierenden Nachwuchs gefördert. Wir fordern stattdessen, daß der zukünftige und der gegenwärtige Nachwuchs gleichermaßen gefördert werden!
Kritikpunkt 1: Die Juniorprofessuren sollen dem Gesetzentwurf zufolge nicht nur aus den bestehenden 15 000 C1-Assistentenstellen, sondern auch aus den cirka 4000 C2–Hochschuldozenten- und Oberassistentenstellen finanziert werden. Damit stehen diese C2-Stellen (Hochschuldozenturen und Oberassistenzen) nicht mehr dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Nachwuchs zur Verfügung. Die geplanten 6000 Juniorprofessuren liessen sich sehr gut ausschließlich aus den fast 15 000 C1 Stellen - also den Assistentenstellen - finanzieren. Dazu müssten nicht die Stellen herangezogen werden, die dem gegenwärtigen Nachwuchs zur Verfügung stehen, bis sie eine reguläre Professur erhalten. Die Zeit zwischen Habilitation und Berufung liegt derzeit zwischen 2-4 Jahren.
Kritikpunkt 2: Es ist darüber hinaus geplant, die sogenannte Emeritierungswelle zu nutzen, um innerhalb der Universitäts- und Länderhaushalte umzuschichten und auf diesem Weg die Juniorprofessuren und deren Ausstattung mitzufinanzieren. Dabei wird auch die Streichung von Professuren ins Auge gefasst. Nun sind also nicht nur die Stellen weg, die für Habilitierte bisher zur Verfügung standen, bis sie eine feste Professur erlangen konnten, sondern auch der Stellenpool der zu besetzenden Professuren wird kleiner.
Kritikpunkt 3: Die zukünftigen Juniorprofessorinnen und
Juniorprofessoren können sich ab Beginn ihrer Einstellung auf freiwerdende
Professuren bewerben. Realistisch eingeschätzt wird eine solche Bewerbung
erst nach den ersten drei positiv evaluierten Jahren einer Juniorprofessur
erfolgreich sein. Dann aber, d.h. ab ca. 2004 drängen auch die Juniorprofessuren
in den kleiner gewordenen Markt der freiwerdenden Professuren.
Die Gefahr dieser Reform liegt im Ausschluß einer Generation von Wissenschaftlern, die für die Vermittlung zwischen der älteren Generation der Professorenschaft und den Juniorprofessoren sorgen kann. Wir sind die Generation, die Transdisziplinarität gelernt und den Aufbau in den neuen Bundesländern vorangetrieben hat. Wir haben – oft gegen Widerstände – neue Forschungsprogramme durchgesetzt. Wir möchten unsere Erfahrungen in Forschung und Lehre weitergeben. Ein Rahmengesetz, wie es das Hochschulrahmengesetz ist, hat keine detaillierte forschungspolitische Steuerungskompetenz. Es sollte aber den Rahmen so abstecken, daß die intergenerationelle Fairness gewahrt bleibt und daß die bestehenden Humanressourcen optimal genutzt werden. Diesem Ziel dienen unsere Vorschläge.