Initiative wissenschaftlichernachwuchs.de

Dr. Antje Gimmler (Universität Marburg)


 

Statement für die Podiumsdiskussion "Hochschulpolitik und Dienstrechtsreform"

(20.9.01, Fünfte Frankfurter Sommerschule)


Zunächst einmal möchte ich mich für die Einladung bedanken. Ich vertrete hier die Initiative wissenschaftlichernachwuchs.de. Von Haus aus bin ich Philosophin und schließe gerade meine Habilitiationsschrift ab. Die Initiative wissenschaftlichernachwuchs.de ist nicht parteipolitisch gebunden, wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Fächern und wir haben uns im Dezember letzten Jahres gegründet, um an der Entstehung des neuen HRG mitzuwirken. In der Diskussion um das damals vorliegende Konzeptpapier des BMBF ist uns eines sehr deutlich aufgefallen: der wissenschaftliche Nachwuchs, der jetzt in Deutschland an den Universitäten lehrt, an der Habilitation arbeitet oder schon habilitiert ist, ist in dieser Diskussion nicht vertreten. Wir möchten auf die Konsequenzen dieser Reform für den jetzt existierenden wissenschaftlichen Nachwuchs hinweisen und - wo nötig – Verbesserungsvorschläge machen. Fast 4000 Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler haben auf unserer Homepage www.wissenschaftlichernachwuchs.de unsere Resolution unterschrieben. Den ersten Teil dieser Unterschriftensammlung haben wir Ende Mai Frau Bulmahn in Berlin übergeben.

Wir begrüssen die Reform. Wir teilen die vom BMBF anvisierten Eckpunkte: Innovation der Hochschulen, Beschleunigung der Qualifizierungswege. So begrüssen wir auch die Einführung der Juniorprofessur. Sie gibt die Möglichkeit der selbständigen Lehre und Forschung zu einem Zeitpunkt, wo die ‚Führung’ durch eine ältere und erfahrenere Wissenschaftlerin auch sehr leicht Gängelung sein kann. Wir verteidigen also keineswegs die Assistentenkultur. Was die Habilitation angeht, so scheint uns das Verfahren tatsächlich überflüssig zu sein. Nicht überflüssig allerdings ist – mindestens in den Kultur- und Geisteswissenschaften – das zweite Buch. Unsere Kritik bezieht sich auf die Art und Weise der Umsetzung der Reform. Der zukünftige Nachwuchs wird auf Kosten des jetzt existierenden Nachwuchs gefördert. Wir fordern stattdessen, daß der zukünftige und der gegenwärtige Nachwuchs gleichermaßen gefördert werden!

Kritikpunkt 1: Die Juniorprofessuren sollen dem Gesetzentwurf zufolge nicht nur aus den bestehenden 15 000 C1-Assistentenstellen, sondern auch aus den cirka 4000 C2–Hochschuldozenten- und Oberassistentenstellen finanziert werden. Damit stehen diese C2-Stellen (Hochschuldozenturen und Oberassistenzen) nicht mehr dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Nachwuchs zur Verfügung. Die geplanten 6000 Juniorprofessuren liessen sich sehr gut ausschließlich aus den fast 15 000 C1 Stellen - also den Assistentenstellen - finanzieren. Dazu müssten nicht die Stellen herangezogen werden, die dem gegenwärtigen Nachwuchs zur Verfügung stehen, bis sie eine reguläre Professur erhalten. Die Zeit zwischen Habilitation und Berufung liegt derzeit zwischen 2-4 Jahren.

Kritikpunkt 2: Es ist darüber hinaus geplant, die sogenannte Emeritierungswelle zu nutzen, um innerhalb der Universitäts- und Länderhaushalte umzuschichten und auf diesem Weg die Juniorprofessuren und deren Ausstattung mitzufinanzieren. Dabei wird auch die Streichung von Professuren ins Auge gefasst. Nun sind also nicht nur die Stellen weg, die für Habilitierte bisher zur Verfügung standen, bis sie eine feste Professur erlangen konnten, sondern auch der Stellenpool der zu besetzenden Professuren wird kleiner.

Kritikpunkt 3: Die zukünftigen Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren können sich ab Beginn ihrer Einstellung auf freiwerdende Professuren bewerben. Realistisch eingeschätzt wird eine solche Bewerbung erst nach den ersten drei positiv evaluierten Jahren einer Juniorprofessur erfolgreich sein. Dann aber, d.h. ab ca. 2004 drängen auch die Juniorprofessuren in den kleiner gewordenen Markt der freiwerdenden Professuren.
 

Schlußfolgerung:

Diese Reform, so gut sie gemeint ist, rechnet nicht mit einem Überschuß an hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sondern mit einer Mangelsituation. Ein solcher Mangel mag in manchen Biowissenschaften und der Informatik bestehen; in den naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern und den Kultur- und Geisteswissenschaften kann davon aber nicht die Rede sein. Das Verhältnis von Habilitationen und freiwerdenden Professorenstellen sieht im Fach Philosophie in den nächsten 8-10 Jahren so aus, daß 60% der Habilitierten keine Professur erhalten können, wenn keine zusätzlichen Fördermaßnahmen ergriffen werden. Außer der Philosophie zählen noch die Psychologie, Germanistik, Anglistik, Romanistik und Geschichte zu den sogenannten "Überhangfächern" (K. Landfried, Präsident der HRK). In diesen Fächern spitzt sich die Situation für den wissenschaftlichen Nachwuchs – übrigens auch für den Juniorprofessor – in den nächsten Jahren gefährlich zu. Abwanderung ins Ausland – auch als Reaktion auf die Reform – findet bereits statt und ist auch für die Zukunft in einem hohen Maße zu befürchten. Hier gilt es gegenzusteuern.
 

Unsere Forderungen sind ganz einfach:

Erstens sollten die Juniorprofessuren einzig aus den C1-Stellen und nicht aus den C2-Stellen finanziert werden. Die C2-Stellen sollten evaluiert und in W2-Stellen, also ordentliche Professuren, überführt werden. Zweitens sollten für die Überhangfächer Förderprofessuren nach dem Fiebigermodell geschaffen werden. Das sind unbefristete Professuren ad personam, die dann, wenn die oder der Betreffende eine reguläre Professur erhält, aus dem Haushalt entfallen. Diese Förderprofessuren sollten nicht nach dem Gießkannenprinzip vergeben werden, sondern selektiv: also zum einen für die Überhangfächer und zum anderen nach Qualitätskriterien, welche die Zukunftsfähigkeit der Hochschulen befördern. Die Bewerber müssen Schlüsselqualifikationen aufweisen und das sind insbesondere Transdisziplinarität in Forschung und Lehre, Medienkompentenz, und Kreativität bei der Entwicklung neuer Forschungsfelder.

Die Gefahr dieser Reform liegt im Ausschluß einer Generation von Wissenschaftlern, die für die Vermittlung zwischen der älteren Generation der Professorenschaft und den Juniorprofessoren sorgen kann. Wir sind die Generation, die Transdisziplinarität gelernt und den Aufbau in den neuen Bundesländern vorangetrieben hat. Wir haben – oft gegen Widerstände – neue Forschungsprogramme durchgesetzt. Wir möchten unsere Erfahrungen in Forschung und Lehre weitergeben. Ein Rahmengesetz, wie es das Hochschulrahmengesetz ist, hat keine detaillierte forschungspolitische Steuerungskompetenz. Es sollte aber den Rahmen so abstecken, daß die intergenerationelle Fairness gewahrt bleibt und daß die bestehenden Humanressourcen optimal genutzt werden. Diesem Ziel dienen unsere Vorschläge.